Wohnprojekte für
gemeinschaftliches Leben
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Artikel über HD_vernetzt und US-Flächen in der RNZ am 20.09.2011
Soziales: In Handschuhsheim steht das erste Mehrgenerationen-Wohnhaus Heidelbergs, das in Eigenregie entstand
Zusammen lebt man weniger allein
Von unserem Redaktionsmitglied Sarah Weik
Noch kleben provisorisch abgerissene Namenszettel auf den Briefkästen. Im Hauseingang wabert eine Staubwolke, die sich langsam auf den frisch gefliesten Boden senkt. Es riecht nach Putz und frischer Farbe. In der Wohnung von Claudia Hollinger zieht ein Handwerker im Bad noch eine Fuge nach.
Keine Frage, es ist noch einiges zu tun in der Richard-Wagner-Straße 6. Doch in Hollingers Wohnzimmer ist die Stimmung gut. Bei Kaffee tauschen sich mehrere Bewohnerinnen des Neubaus über den Stand der Bauarbeiten in ihren Wohnungen aus. Hier fehlt eine Türe, dort ging eine Fliese zu Bruch. Sie nehmen es gelassen. „Das wird schon“, ist ihre Meinung. Teilweise sind sie erst vor wenigen Tagen eingezogen. In das erste selbst gebaute Mehrgenerationenhaus in Heidelberg.
Ein Haus voller Überraschungen
Zwischen einem halben Jahr und 90 Jahren sind die Bewohner hier alt. Es sind junge Familien dabei, Senioren, Behinderte und Alleinstehende. Eine bunte Mischung mit einer Gemeinsamkeit: der Freude an der Gemeinschaft. Deshalb haben die Besitzer ihr Haus auch „Prisma“ getauft.
Ein Lieferwagen fährt vor. Die Küche der Nachbarn wird geliefert. Kurzerhand holt Hollinger deren kleine Tochter ab. „Dann können die Eltern in Ruhe einbauen, die Tochter ist aus dem Weg und ich habe einige Minuten für mich, weil mein Sohn ebenfalls beschäftigt ist“, sagt Hollinger lächelnd – ein Grund, warum sie hier einziehen wollte. „Es heißt doch immer, es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind zu erziehen – genau das habe ich hier.“ Schließlich kennen sich die Bewohner schon von zahlreichen Baubesprechungen. Das Haus entstand komplett in Eigenregie. Es ist das erste konkrete Projekt des Vereins OASE, der gemeinschaftliches und Generationen verbindendes Wohnen fördert. Die Idee entstand vor sieben Jahren. Lange wurde überlegt, geplant und diskutiert, bis im Dezember 2008 endlich der Spatenstich erfolgte. Ob der Prozess einfach war? Die Frauen am Tisch holen tief Luft, schauen sich an und lachen. Nein, einfach sei es mit Sicherheit nicht gewesen. „Das war schließlich ein basisdemokratischer Prozess“, erklärt Britta Gruhlke und lässt den Satz bedeutungsschwer im Raum stehen. Die anderen nicken. „Das fängt bei der Farbe der Türen an – bis sich 25 Parteien darüber einig sind, das dauert“, fährt Gruhlke fort.
Doch nach und nach entstand so ein Haus, mit dem alle zufrieden sind und das einige Überraschungen parat hat. Wie die Kletterwand an der Rückseite des Aufzugschachtes. Oder die „Schwatznischen“ in den Laubengängen. An einigen Stellen wurde der Gang verbreitert, „damit man ein Schwätzchen halten kann, ohne den Weg komplett zu blockieren“, erklärt Renate Henkel. Auch mehrere Gemeinschaftsräume gibt es im Haus, wie einen Hobbykeller mit Werkstatt oder einen Saal mit Küche und Spielbereich für Kinder. „Ich hab mich auf ein Haus voller Kinder gefreut“, sagt Henkel. Sie hat früher lange Zeit in Wohngemeinschaften gelebt. „Irgendwann wird man dafür dann doch zu alt und will sein eigenes Reich“, sagt sie. Auf die positiven Seiten des Zusammenlebens muss sie hier dennoch nicht verzichten.
„Lebensform der Zukunft“
So verschieden die Bewohner, so unterschiedlich die Wohnungen. Zwischen 43 und 125 Quadratmetern groß gleicht kein Grundriss dem anderen. Jeder Bewohner konnte ihn selbst bestimmen und auf seine Bedürfnisse zuschneiden.
Annamarie Mertzsch deutet stolz auf die Aussicht aus ihrer Wohnung: Ein Blick über die Dächer von Handschuhsheim in Gärten und Hinterhöfe. Bald wird sie 90 Jahre alt. Es war ihre Tochter, die sie auf die Idee brachte, hier einzuziehen. Eigentlich wollte sie gar nicht weg aus Eppelheim. Doch die Argumente der Tochter haben sie schließlich überzeugt. Das Gebäude ist barrierearm, hat einen Aufzug und einige behindertengerechte Wohnungen. Ideal auch für ältere Menschen. Doch vor allem wohnt Merztsch nun in der Nähe der Tochter und ihrer Kinder. „Meine Enkel gehen ganz in der Nähe zur Schule und waren auch schon über Mittag zum Essen bei mir“, sagt Mertzsch und strahlt.
Henkel hält „Prisma“ für die Lebensform der Zukunft. „Bei uns trägt jeder das bei, was er kann und wozu er Lust hat“, sagt Henkel. Ein Haus, das in seiner Architektur auf Gemeinschaft ausgelegt ist, sie aber nicht fordert. Und von außen wird dann auch deutlich, wie das Problem der Türfarben gelöst wurde. Sie sind bunt.
Mannheimer Morgen
01. Februar 2010
Umwelt Direkt vom Mai 2008
PRISMA Heidelberg kurz vor Baubeginn
Von Bernhard Pirch-Rieseberg
Oase – offen, alternativ, selbstbestimmt, engagiert – ist Name und Programm des 2002 gegründeten Vereins, der gemeinschaftlich organisierte, Generationen verbindende Wohnformen verwirklichen will.
PRISMA heißt das erste Wohnprojekt des Vereins, so bunt wie das Leben: Senioren, Familien, Alleinerziehende und Singles wollen dort in „guter Nachbarschaft“ zusammen leben, insgesamt 50 Menschen, davon 13 Kinder und Jugendliche.
Bis Mitte 2009 sollen die 25 – zumeist barrierefreien – Wohnungen mit einem bis fünf Zimmern (45-125m²) fertiggestellt sein, Eigentumswohnungen und sieben (geförderte) Mietwohnungen. Der „Heidelberger Energiestandard“ wird mittels guter Wärmedämmung, passiver Solarenergienutzung (große Fenster nach Süden und ein leicht hochgestelltes Pultdach) und einer kontrollierten Lüftungsanlage eingehalten.
Die Stadt Heidelberg unterstützt das „Leuchtturmprojekt“ für neue Wohnformen im Alter und die GGH (städtische Wohnbaugesellschaft) stellt in Handschuhsheim ein optimal gelegenes Grundstück zur Verfügung.
Das Kozept der Stuttgarter Wohnbaugenossenschaft „pro – Gemeinsam Bauen und Leben-„, mit der das Projekt verwirklicht wird, sieht vor, dass es für das gemeinsame Wohnen großzügige Gemeinschaftsräume (mit Bereichen für Kinder und Jugendliche, Werk- und Bastelraum) gibt.
In PRISMA sind fast alle Wohnungen vergeben, der Verein Oase will aber in Zukunft auch weitere Wohnprojekte beginnen.
Kontakt: Fam. Pirch-Rieseberg, Tel. 06221-181318, www.oase-heidelberg.de.
Die Planungsgemeinschaft PRISMA trifft sich jeden Mittwoch um 19 Uhr im Seniorenzentrum Heidelberg-Bergheim, Kirchstraße 16.
Rhein-Neckar-Zeitung vom 20. Januar 2006:
Der Traum von gegenseitiger Hilfe
Ein Verein will ein Mehr-Generationenhaus in Handschuhsheim bauen lassen – OB Weber: Leuchtturmprojekt in der Metropolregion
Von Harald Berlinghof
Am Anfang waren es neun ältere Damen, die sich regelmäßig trafen und sich Gedanken machten ums Wohnen im Alter. Das war 1999. Alle hatten sie bereits die Altersgrenze von 60 überschritten. Doch „Wohnen im Alter“, das bedeutete für Edith Roosch und ihre acht Mitstreiterinnen nicht das „Ghetto eines Altersheims“ oder die Unterkunft in einer betreuten Wohnanlage. Die älteren Damen träumten mehr von einem Haus in dem Alt und Jung miteinander leben und in dem jeder bei gegenseitiger Hilfe seine Stärken einbringen kann. Ein Mehr-Generationen-Haus sollte es sein, eine Oase des gemeinschaftlichen Miteinanders der Generationen. Und mitten in Heidelberg sollte es stehen.
So könnte es funktionieren: Die allein erziehende, berufstätige Mutter hat eine Rentnerin als Nachbarin, die viel Zeit zur Verfügung hat und deshalb die zweijährige Tochter tagsüber gerne betreut. Dafür muss sich die Oma nicht mit den Lebensmitteln vom Einkaufsmarkt abschleppen, sondern bekommt sie nach Hause transportiert. So könnte das zukünftige Miteinander aussehen, meinen die neun Damen. Flugs wurde ein Verein gegründet, der sich „Oase“ nennt, was für „ offen, alternativ, selbstbestimmt, engagiert“ steht.
Jüngst benannte Oberbürgermeisterin Beate Weber das Projekt des Vereins, in Heidelberg ein Mehr-Generationen-Haus zu bauen, als Leuchturmprojekt innerhalb der Metropolregion Rhein-Neckar. Die OB sicherte dem Verein jede mögliche Unterstützung der Stadt zu. Allerdings soll das Grundstück, das sich die Vereinsmitglieder in Handschuhsheim ausgesucht hatten, doch recht teuer sein. Und der Projektentwickler, die Wohnbaugenossenschaft „Pro“ in Stuttgart, kann nur eine begrenzte Summe investieren, weil die späteren Miethöhen für die geförderten Wohnungen festgelegt und begrenzt sind. Weber sprach kürzlich öffentlich von einer Finanzierungslücke in Höhe von um die 80000 Euro. Der Verein erhofft sich allerdings Sponsoren, um dem „Traumstandort“ mit seiner barrierefreien Anbindung an Bus und Bahn und einer guten Infrastruktur mit kurzen Wegen zum Einkaufen doch noch verwirklichen zu kön-nen. Die Stuttgarter Wohnbaugenossenschaft „Pro“, die bereits einige Mehr-Generationen-Häuser im schwäbischen Raum erstellt hat, tritt als Projektentwickler auf und finanziert das Objekt zunächst teilweise.
Ein Teil der 20 bis 24 Wohnungen in dem Haus soll als Eigentumswohnungen von Mitgliedern des Vereins finanziert werden. Ein zweiter Teil soll an Investoren verkauft werden, die die Wohnungen an Mitglieder des Vereins vermieten und ein dritter Teil soll als geförderter Wohnungsbau an Vereinsmitglieder mit Wohnberechtigungsschein vermietet werden. „Damit möchten wir neben einer guten Durchmischung der Bewohner aus verschiedenen Altersgruppen auch eine gute soziale Durchmischung erreichen“, versichert Heike Burkhard, wie Edith Roosch im Vorstand des Vereins aktiv. Das Haus soll offen sein für Menschen mit Behinderung und auch für Einwanderer. Voraussetzung ist allerdings die aktive Mitgliedschaft im Verein.
45 Mitglieder hat der Verein inzwischen, wovon gut 20 in der Arbeitsgruppe „Wohnen im Alter“ aktiv sind. Das Alter der Mitglieder reicht inzwischen von zwei bis 77 Jahre. Allerdings sind Männer im Verein noch Mangelware. Auch junge Familien, bevorzugt mit Kindern sind erwünscht. Schließlich sollen in dem dreieinhalbgeschossigen Haus auf dem 2000 Quadratmeter großen Grundstück Jung und Alt gleichermaßen vertreten sein.
„Ein solches Projekt muss wachsen“, meint Heike Burkhard. „Es funktioniert nicht, ein solches Haus von der Stange zu bauen und dann Bewohner dafür zu suchen.“ Das Miteinander funktioniere nur, wenn sich die späteren Bewohner vorher zusammen gerauft haben. „Bei uns im Verein ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Da wird auch manchmal hart diskutiert. Eine positive Streitkultur zu entwickeln, gehört dazu“, so Burkhard. Jeder im Verein wisse, was auf ihn später zukommt und mit wem er es zu tun hat.
Quelle: www.rnz.de
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